AfD WEGBASSEN

Bei der Veranstaltung „Kultur schützen. AfD wegbassen“ in Magdbeurg – veranstaltet von Regina – Ravende Europäer gegen Intoleranz und Nationalismus -, durfte ich einen Tag vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt sprechen. Die AfD züchtet seit Jahren einen „Kulturkampf“ heran und mit aller Entschiedenheit weise ich diesen zurück.

Liebe Mitstreiter*innen im Protest gegen Rechts, im Protest gegen die AfD und für Frieden, für eine offene Gesellschaft und eine vor rechten Attacken geschützte Kultur,

mein Name ist David Schliesing, in bin von der Linken und kandidiere im September für den Bundestag im Landkreis Börde und Jerichower Land und ich bin Theaterdramaturg.

Als ich 2016 die Leitung der Schauspieldramaturgie am Theater Magdeburg übernahm, stolperte ich in den Vorbereitungen und Überlegungen für die Spielplanung über das damalige Landtagswahlprogramm der AfD. Dort stand im Bereich Kultur: „Museen, Orchester und Theater sind in der Pflicht, einen positiven Bezug zur eigenen Heimat zu fördern.“ Diese „Pflicht“ habe ich damals wie heute als angedrohte Zensur empfunden. Einen Dank an die grundgesetzlich garantierte Kunstfreiheit. Denn natürlich fand sich daraufhin in meinem ersten Spielplan kein Stück deutscher Autor*innen. Im Gegenteil, ich setzte während meiner Zeit am Theater Magdeburg auf Zeichen gegen Rechts.

Höhepunkt war sicherlich die Bearbeitung des Comicbuches „Die Präsidentin“, das – 2015 erschienen – in einem „Was wäre wenn-Szenario“ durchspielte, was geschehen würde, wenn in Frankreich Marine Le Pen gegen Emmanuel Macron gewonnen hätte. Das Stück kam kurz nach der Wahl in Frankreich 2017 auf die Bühne und erwies sich als fiktional düstere Parallelwelt. In dem Stück kam es nach der „Machtergreifung“ zu einem erbitterten Bürgerkrieg, Frankreich transformierte sich zu einem Überwachungsstaat im Zuge Le Pens Parole: „Nicht alle Muslime seien Terroristen, aber alle Terroristen sind Muslime“, die Wirtschaft wurde mit dem vollzogenen Frexit gegen die Wand gefahren. Dieser spielte sich auch auf der Bühne ab. Ich hatte während einer ausverkauften Vorstellung Direktionsdienst und befand mich im Foyer, links die Saaltüren: dahinter tobte der inszenierte Bürgerkrieg und just in dem Moment lief ein Fackelmarsch rechter Sympathisanten und Scharfmacher die Straße am Theater entlang inklusive Gegendemonstranten und Polizeiaufgebot. Das Geschrei auf der Straße, rechts von mir vor den Fenstern klang haargenau wie das Gebrüll auf der Bühne. Der Zusammenprall von Kunst und Wirklichkeit: die krasse Übereinstimmung fiktionaler Dystopie auf der Bühne mit der gegenwärtigen Situation auf der Straße lies mich in diesem Moment erschaudern, denn ich wollte der inszenierten Wirklichkeit auf der Bühne mehr Glauben schenken, als dem tatsächlich stattfindenden Aufmarsch.

Ist es Wahnsinn, wenn einem die reale Bedrohung von rechts unwirklicher erscheinen mag, als alles was man von Zeitzeugen, aus der Geschichte, aus der Kunst und Literatur über das dunkelste Kapitel unserer jüngsten Vergangenheit erfahren hat. Weil es doch nicht sein kann? Weil es mir nicht in den Verstand will, dass das wieder passieren kann. Weil es meinem Verständnis zuwider läuft, dass trotz unserer grauen- und schreckenerregenden Vergangenheit, heute jene in die Mitte der Gesellschaft vordringen, die mit ihrer Sprache und Ideologie, mit sadistischer Häme, mit ihrem Hass und menschenverachtenden Gebaren, jene Wunden genussvoll aufreißen, die ganz zu schließen wir uns nicht erlauben dürfen. Sind kollektive Erfahrungen so kurzlebig? Wie definierte Albert Einstein Verrücktheit: immer wieder dasselbe zu tun und dabei andere Ergebnisse zu erwarten?

Seit Jahren wollen uns Neue und Alte Rechte und ihre parlamentarischen Vertreter*innen ihren sogenannten „Kulturkampf“ aufzwingen. Ihren selbst gezüchteten Kampf gegen eine „versiffte“ Kulturlandschaft. Das ist zweifelsohne Kampfansage. Und es ist unerträglich. Und es bleibt uns nichts übrig als mit kraftvoller Bass-Stimme immer wieder und weiter unsere rechte Flanke vor Übergriffen zu verteidigen. Denn erstens ist die Kunstfreiheit garantiertes Recht in diesem Land, die Meinungsfreiheit ist garantiertes Recht. Und zweitens dürfen nie wieder, nie wieder Faschisten die Deutungshoheit über Kunst und Kultur gewinnen. Und gerade erst recht, wenn die AfD versucht Ersteres, nämlich die grundgesetzlich verankerte Kunstfreiheit zu attackieren, aus der sich aus Sicht der AfD noch lange „kein Anspruch, jeden Schund gefördert zu bekommen“ ableitet. Was hier als Angriff auf die Kunstfreiheit verstanden werden kann, ist perfide kombiniert mit der Frage der Kulturförderung. Ich komme gleich darauf zurück.

Kunst und Kultur sind höchst strapazierfähig, sie haben 12 Jahren Faschismus überlebt, und werden es auch weiter. Aber die Menschen, die ihr Leben dem künstlerischen Ausdruck verschrieben haben, die sich abarbeiteten in ihrem Warnen, in ihrer Sorge und in ihrem Widerstand, an dem unerträglichen Wachsen des NSDAP und des raumgreifenden Faschismus, sie mussten sich verstecken, mussten ins Exil, mussten ihr Leben aufgeben, mussten mit erleben wie ihre Werke verboten, verbrannt und als „entartetet“ gesellschaftlich geächtet wurden, mussten ihre Leben geben.

Heute gehen die demokratisch gewählte Vertreter*innen der AfD aber einen ganz anderen Weg: Ihre Sprache bleibt weiterhin wichtigste Waffe und Instrument, um ihre hetzerischen, Ressentiments bedienenden Parolen herauszuposaunen. Ihre Sympathisanten werden weiterhin Veranstaltungen und Vorstellungen stören, Kulturschaffende diffamieren und angreifen. Das sind schändliche Eingriffe, aber sie sind anzeigbar. Jedoch setzt ihr Kulturkampf strategisch den Fokus auf ihre demokratischen Rechte, liegt in den kommunalen Aufgaben, liegt in ihrem Gebrauch ihres zugesicherten Abstimmungsrecht in Landtagen, in Gemeinde- und Stadträten. Und in dieser weniger offenen, weniger öffentlichkeitswirksamen Präsens – gerade in kleineren kommunalen Parlamenten, auf Basis demokratischer Entscheidungsfindung können sie gegen unliebsame Kulturschaffende vorgehen. Ihr Wachsen in den Parlamenten lässt auch ihren Einfluss auf mehrheitsfähiges Abstimmungsverhalten wachsen. Abstimmungen, die über die Zuwendungen an Kulturträger empfindlich entscheiden können, also finanzielle Mittel für Kunst und Kultur zu verschleppen, zu kürzen und zu verweigern. Hier setzen sie den Hebel an: wer über die Verteilung der Gelder bestimmt, bestimmt was gefördert wird und was nicht. Und das wird klar, wenn man sich die vielen Äußerungen in der Öffentlichkeit an schaut, wenn man sich die in die Stadt- und Gemeinderäte, Landtage und im Bundestag eingereichten Anträge mit ihren hanebüchenen und verächtlich-machenden Begründungen durchliest. Ich werde sie heute nicht reproduzieren. Die AfD polemisiert und stellt die Kulturförderung gänzlich in Frage, sie fordert Neutralität ein, die in der Kunst so nie gegeben ist.

Im Gegenteil, die AfD will die Deutungsmacht. Kunst ist keine Kunst, Kultur ist keine Kultur, wenn sie wie eingefordert, nationale Identität nicht fördert, stattdessen sich für Minderheiten interessiert und einsetzt, wenn sie zur Solidarität mit Geflüchteten, mit Menschen in Not aufruft, wenn sie den krassen Rechtsruck in Deutschland zum Gegenstand ihres künstlerischen Ausdrucks macht, wenn sie für eine offene Gesellschaft eintritt. Die AfD will solche Kunst fördern, die der deutschten Kultur bejahend gegenübersteht, „massive Einschnitte“ wären zu vertreten heißt es aus AfD-Kreisen.

Und was macht die AfD: sie reduziert künstlerisches Wirken auf die angebliche Absicht dem demokratisch gewählten Gegner zu schaden. Diese geballte Fixierung auf das grün-links-versiffte Kunstschaffenden-Millieu, auf den bösen linken Künstler grenzt ja schon an krankhafte Paranoia. Aber ja, denn Kunstschaffende, Kulturschaffende werden nicht aufhören, werden nicht schweigen, werden in ihrer Freiheit und Kraft ihrer unmittelbaren Kunst, Faschismus als das zu benennen, was er ist: Faschismus. Egal ob er demokratisch legitimiert ist.

Und da die AfD Kunst und Kultur, die ihrer Deutung nicht entspricht, jede Qualität abspricht, sie verächtlich macht, geht sie an ihre Quantität, an die Kosten. Und ja eine gesunde Kulturlandschaft kostet und das nicht wenig. Und, dieser Fakt ist unerträgliche Scheiße, aber wenn es ums Geld geht, werden Menschen emotional. Und mit Emotionen lassen sich Wahlen viel leichter gewinnen. Wir reden in dieser Gesellschaft intensiv und viel lieber darüber, dass Geld verloren geht. Ich persönlich würde mir wünschen, dass wir im Gegensatz mehr darüber sprechen würden, wie sich einzelnen Menschen, Familien tagtäglich an den Krisen und den anderen bereichern, Vermögen anhäufen und dies der Gesellschaft entzieht. Aber natürlich: materieller Verlust ist für die Mehrheit der Menschen eben greifbarer, weil jeder von uns erlebt, wie uns das Geld aus den Taschen rinnt. Materieller Verlust ist für die meisten von uns tagtägliche Konfrontation, existentiell spürbar und das nicht erst seit der Corona-Pandemie. Und hier greifen die Ressentiments: in dem die AfD den Menschen weißmachen will, dass sie Verlierer in diesem etablierten System sind, obwohl sie doch allein schon wegen ihrer Nationalität Gewinner sind, – dabei verdecken, dass sie mit der AfD natürlich noch viel mehr zu verlieren haben – werden in diesem Kulturkampf Schützengräben gegraben und die Frage polemisiert: warum Kunstschaffende finanzieren? Die doch eh nur linksversiffte Propaganda machen. Und ich zitiere jetzt doch den AfD-Stadtradt von Freiberg in Sachsen, Markus Gehrke, der das Theater grundsätzlich in Frage stellt – um ein Bild zu zeichnen, wie AfD-Vertreter*innen über Kunstschaffende denken: „Ich selber habe dazu keinen Bezug, für mich ist jeder Cent, mit dem das Theater gefördert wird, ein Cent zu viel! Wer sonst nichts im Leben kann und daher als abgehalfterter Schauspieler sein Dasein fristen muss, aber glaubt, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, sollte erst mal sehen, was er ohne Zuschüsse von staatlicher oder kommunaler Hand wäre, NICHTS!“

Das ist Spaltung, das ist Populismus und leider Realität. Kunst und Kultur kosten, und die AfD verlangt dafür eine Gegenleistung: und die heißt: nationale Identitätsstiftung oder mit anderen Worten: Propaganda. Und da die AfD über keinerlei konsistentes Kulturkonzept verfügt, bleibt der Schluss, dass es sich bei diesem sogenannten Kulturkampf doch nur um einen Meinungskampf handelt, also um die Hohheit über den Einfluss auf die Bevölkerung. Und das darf nicht stellvertretend auf dem Rücken der Kulturschaffenden ausgetragen werden. Das darf in diesem Land nicht passieren.

Die AfD geht also über die Kulturförderung und treffen damit Kunst und Kultur an ihrer empfindlichsten Stelle. Klamme kommunale Kassen sind seit jeher der Tod für Kunst und Kultur, der Rotstift erfasst sie zuerst. Und deshalb muss eine Lösung und Forderung sein: Förderung und Schutz von Kunst und Kultur im Grundgesetz zu verankern. Nur wenn die Förderung von Kunst und Kultur zur kommunalen Pflichtaufgabe werden, wenn dadurch der Erhalt von kulturellen Strukturen langfristig gestaltet wird in der Stadt, in der Fläche, wenn Politik endlich auf Kulturschaffende eingeht und ihren Wert für unsere Gesellschaft ernst nimmt, was wir für den Zusammenhalt leisten, den sinn-, kritik- und gemeinschaftsstiftenden Wert, wenn wir den Rückhalt spürbar wahrnehmen können: wir brauchen eine starke öffentlichkeitswirksame Debatte darüber. Es darf nicht still und heimlich an der Bastion Kultur geschliffen werden. Dieser Kulturkrampf, den die AfD führen will, muss öffentlich und vor allem politisch für eine unabhängige und freie Kulturlandschaft entschieden werden. Ohne diese klare Fürsprache, ohne ein klares und bestenfalls grundgesetzlich verankertes Bekenntnis für eine freie und vor allem gesicherte Kultur, ist der kleinste sozio-kulturelle Verein schnell erklärtes Freiwild. Und deshalb möchte ich heute noch die Gelegenheit nutzen und für eine Berliner Initiative werben, die eine Petition gestartet hat, damit der Schutz und die Förderung von Kunst und Kultur im Grundgesetz verankert wird. Unterschreibt die Petition „Kultur ins Grundgesetz“, ihr findet sie im Internet. Mit dieser Initiative verbinden sich bundesweit Kulturschaffende. Denn der Schutz von Kunst und Kultur, dessen Förderung ist zu einer bundesweiten Aufgabe geworden. Und wir müssen alle Register ziehen, um der AfD den Zugriff im Kampf auf die Deutungshoheit gesellschaftlicher Kommunikation – und das beinhaltet Kunst und Kultur im maßgeblichen Sinne – vollständig zu entziehen.

Natürlich sind wir noch in einer Situation, in der die AfD fern davon ist Mehrheiten zu erlangen. Aber wie lange bleibt das so? Wann hat die AfD die Chance durch Mehrheiten unliebsamen Kulturvereinen und Kulturschaffenden den finanziellen Hahn und das auf demokratisch legitimierten Wege zuzudrehen? Deshalb gilt:

Jede Stimme gegen Rechts ist eine für die Kultur.

Jede Stimme gegen Rechts ist eine Stimme mehr für eine Freiheit für alle.

Denn wer Freiheit nur für die einen fordert,

zementiert keine Freiheit für alle anderen

und das ist Faschismus.

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